Donnerstag, 25. Juni 2009

Von Dreiecken und Geraden

Es wird gesagt, die Gerade beschreibe den kürzesten Weg zwischen zwei Punkten. Eine Aussage, die sich aus dem Satz des Euklid herleitet, wonach in einem Dreieck die Summe zweier Seiten immer größer ist als die dritte Seite.
Die Erfinder des Schachspiels haben sich darum wenig geschert. Den König kostet es nur einen Schritt (Zug), ein diagonales Feld zu erreichen, obwohl der Mittelpunkt dieses Feldes nach obiger Definition weiter entfernt ist als der des vertikalen oder horizontalen Nachbarfelds.

Durch diese "Eigentümlichkeit" kommt es zu interessanten Situationen auf dem Schachbrett, v.a. im Endspiel. Nachfolgendes Diagramm zeigt Weiß am Zug in der Partie Schlage - Ahues (Berlin 1921).



Zur Einschätzung der Stellung: Weiß holt sich den Bauern a7 und verwandelt seinen eigenen Bauern in eine Dame. Er muss allerdings aufpassen, dass sein König nach dem Schlagen auf a7 nicht eingeklemmt wird. Deshalb ist hier der gerade Weg (rot markiert) falsch. Der grüne Weg ist genauso weit wie der rote, hält aber den gegnerischen König auf Distanz.

1.Ke6 Kc3 2.Kd5 (Schlage spielte hier fehlerhaft 2.Kd6?, wonach die Partie remis endete) 2.- Kb4 3.Kc6 (sperrt das Feld b5 [1]) 3.- Ka5 4.Kb7 Kb5 5.Kxa7 Kc6 6.Kb8 +-

Als Meisterwerk der schachlichen Widerlegung des Satzes des Euklid kann folgende geniale Studie von Richard Réti (1921) gelten.


Weiß am Zuge remisiert mit 1.Kg7. Der König nähert sich mittels der Diagonalen nicht nur dem h-Bauern sondern auch seinem eigenen Bauern. 1.- h4 (1.- Kb6 2.Kf6 kommt aufs Gleiche raus) 2.Kf6 Kb6 3.Ke5 (die Siebenmeilenstiefel werden geschnürt) 3.- Kxc6 (3.- h3 4.Kd6 h2 5.c7 =) 4.Kf4 =

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[1] Dvorecky nennt das Wegstoßen des gegnerischen Königs einen "Bodycheck" (Dvorecky, Mark: "Die Endspieluniversität", S. 37).

Missed chance

In the diagram you see a position that arose in Gelfand - Shirov (Bazna 2009) with White to move. Gelfand missed a forced win here; he just needed to sacrifice four (!) pawns ...





It could have gone this way: 1.f5!! exf5 (1.- gxf5 2.h5 +-) 2.e6 Bxe6 (2.- fxe6 3.Kxg6 +-) 3.h5 gxh5 4.g6 fxg6 5.Kxe6 White has won a piece now for four pawns. According to GM Rogozenco on chessbase.com "both opponents saw this idea, but they both thought it's a draw because a8 is the 'wrong' coloured corner".


The bishop is indeed the wrong one but the black king will not get into the corner, since after 5.- Kd8 6.Kd5 Kc8 6.Kc6 (see diagram 2) he cannot make progress!


The white a-pawn finally queens with check and mate. Black is missing one move because he has to play g5 first before he can play f4. A very funny variation that could have brought Gelfand some glory - if he just had played it.

For the record, the game ended draw after 1.a4.

Dienstag, 23. Juni 2009

Bauernendspiel: Elementares

Ein Bauernendspiel K+B vs. K ist immer dann remis, wenn es der stärkeren Partei nicht gelingt, den König vor dem eigenen Bauern zu platzieren. Dabei ist es i.d.R. egal, wie weit der Bauer schon vorgedrungen ist (eine Ausnahme bildet die drittletzte Reihe; hier muss die schwächere Partei die Opposition [1] besitzen) .
Um zu gewinnen, muss er also den König vor den Bauern bekommen. Das alleine reicht allerdings noch nicht, wenn es Schwarz gelingt, eine direkte vertikale Opposition herzustellen.


Im Diagramm gewinnt Weiß, indem er den König nach a5 spielt. Damit ist er vor dem Bauern. Schwarz kann seinen König maximal nach c6 spielen, wonach er aber keine direkte vertikale Opposition zum weißen König eingehen kann (dazu müsste er nach a7). Ein leichter Gewinn für Weiß. (Schwarz am Zug würde remis machen, indem er den König nach b6 spielt, und Weiß käme nicht mehr vor den eigenen Bauern.)

Etwas diffiziler ist die Situation in Diagramm 2. Die Position sieht mit Weiß am Zug dermaßen günstig aus, dass man auf den Gedanken verfällt, auch der "schnelle" Weg mit 1.Ke2? würde gewinnen. Oppositionstechnisch scheint das zunächst logisch, da nach 1.- Kf7 2.Kf3 (Fernopposition) Ke7 3.Ke3 (Fernopposition) bis jetzt alles nach Plan läuft, aber nach 3.- Kd7 geht es plötzlich nicht mehr weiter, da das Oppositionsfeld d3 vom eigenen Bauern besetzt ist. Die Stellung ist remis, da Schwarz nach 4.Kd4 mit 4.- Kd6 = die direkte vertikale Opposition einnimmt.


Der einzige Zug, der hier gewinnt, ist 1.Kd2! Weiß verfolgt denselben Plan wie in Diagramm 1; er läuft unter dem eigenen Bauern her. 1.- Kf7 2.Kc3 Ke6 4.Kc4 +- Technisch gesehen liegt in beiden Diagrammstellungen ein weitreichendes Umgehungsmanöver (engl. outflanking) vor.

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[1] "The kings are defined as standing in opposition when a) they are on squares of the same color, and b) there is an odd number of squares between them by the most direct route or routes. [...] It is usual to say that the player who hasn't the move has the opposition, e.g. White has the opposition if it is Black's move." Euwe, Max: "A Guide to Chess Endings".

Donnerstag, 18. Juni 2009

Tactics (9)

In the diagram position White played 1.Rxh4?? After that move Black had no problem to grab the full point in Kamsky - Ivanchuk (Bazna 2009).





Solution (diff. 1/5): 1.- Qe1+! (2.Bg1 Qxh4) 0-1

Sonntag, 14. Juni 2009

Schöne Rettung

In der Diagrammstellung mit Weiß am Zug (Miles - Schneider, Philadelphia 1980) ist der schwarze b-Bauer bedrohlich. Zudem steht der weiße König etwas dubios.



Weder 1.Txb3 De5 (droht 2.- Dxe4+ als auch 2.- Dg5+ 3.Kh3 Dxh5+ 4.Kg2 Dh1#) 2.Sf4 Dxe4

noch

1.e5 f5+ 2.exf6 gxf6 3.Sc3 Tc1 sind erfreulich für Weiß.

Miles spielt hier eine schöne Rettung (man beachte den vierten Zug der Kombination):

1.Dxf8+ Dxf8 2.Se7+ Kh7 3.Txf8 b2?? (siehe Diagramm 2).


4.Sg6!! (droht 5.Th8 matt; 4.- fxg6 scheitert an 5.Txf1) 1-0

Man beachte, dass 4.Sg6 der einzige Zug ist, der nicht für Weiß verliert! Miles musste ihn also schon vor 1.Dxf8+ gesehen haben. Anzumerken ist, dass Schwarz nicht 3.- b2 spielen musste. Nach 3.- Te1 hätte er noch praktische Remischancen gehabt.

Dienstag, 9. Juni 2009

Endspiel: Dame gegen Bauer

Das Endspiel Dame gegen Bauer resultiert meist aus einem "Bauernwettrennen". In Diagramm 1 markieren die Bauern auf den grünen Feldern Remispositionen (der schwarze König muss natürlich jeweils neben dem Bauern stehen). Bei den Springer- und Zentrumsbauern gewinnt Weiß am Zug (der Gewinnplan ist einfach: Weiß gibt solange Schach, bis der schwarze König den Bauern verstellt; dann nähert er sich mit seinem eigenen König an; diese Prozedur wiederholt man solange, bis der König am Bauern dran ist).





Der Grund, warum dieses Verfahren bei den grün markierten Bauern (also dem Läufer- und Randbauern) nicht funktioniert, liegt in Pattmotiven begründet. Bei einem Läuferbauern auf c2 und dem König auf b1 z.B. nützt Weiß das Damenschach auf b3 nichts, da er nach Ka1! nicht auf c2 wegen Patts nehmen kann.

Wichtig: Es ist aber selbst in diesen Fällen wichtig, dass der weiße König weit genug entfernt ist (Man kann als Faustregel sagen, dass er auf der sechsten Reihe zu weit entfernt ist). Ist der König näher dran, ergeben sich mitunter skurrile Mattpositionen, wie man in Diagramm 2 sehen kann.


Nach 1.Db3+ Ka1 2.Dd1+ Kb2 3.Kb4! a1-D 4.Dd2+ Kb1 5.Kb3! +- hat Schwarz zwar eine Dame, die ihm aber nichts nützt, da sie kein Schach geben kann, ohne genommen zu werden; zudem droht Weiß Matt durch 6.Dc2.

Donnerstag, 4. Juni 2009

Tactics (8)

White to play in Sutovsky - Inarkiev (Pojkovsky 2009).


Solution (diff. 2/5): 1.Qa3+ Kg8 2.Re5! (the black queen is trapped) 1-0

Turm und Randbauer gegen Turm (Teil II)

Für die verteidigende Partei ist es wichtig, dass der Bauer noch nicht allzu weit vorgerückt ist. Bei einem Bauern auf der fünften Reihe hat er Remischancen, da die stärkere Partei keinen Brückenbau ausführen kann - wegen Turmtauschs. Im unteren Diagramm würde Schwarz am Zug 1.- Tb1+ spielen. Nach 2.Kc5 (schlecht ist 2.Ka6) 2.- Ta1 muss der König wieder zurückkehren, um den Bauern zu decken. Der Brückenbau 3.Kb5 Tb1+ 4.Tb4 scheitert an 4.- Txb4! 5.Kxb4 Kd8 =
Weiß am Zug könnte mit 1.a6 leicht gewinnen. Der Brückenbau wäre dann möglich, da Schwarz nicht die Türme tauschen kann (sein König ist zu weit entfernt).


Eine seltene Situation entsteht, wenn der König der stärkeren Partei vor dem eigenen Bauern eingeklemmt ist (siehe Diagramm, Karstedt 1909).




Der Plan von Weiß besteht nun darin, den Turm nach b8 zu überführen, wodurch der schwarze Turm von der b-Linie vertrieben wird. Danach kann der König das Feld a8 über b7 verlassen. Das kann Schwarz nur verhindern, indem er mit seinem König zum grün markierten Feld c7 gelangt und so das Feld b7 für den weißen König sperrt.

Die Diagrammstellung ist für Weiß am Zug gewonnen, da der schwarze König zu weit vom Feld c7 entfernt ist. 1.Th2 Ke7 2.Th8 Kd6 (2.- Kd7 3.Tb8 Ta1 4.Kb7 Tb1+ 5.Ka6 Ta1+ 6.Kb6 +-) 3.Tb8 Ta1 4.Kb7 Tb1+ 5.Kc8 Tc1+ 6.Kd8 Th1 7.Tb6+ Kc5 8.Tc6+ Kb5 9.Tc8 Th8+ 10.Kc7 Th7+ 11.Kb8 +-

Wichtig: Stünde der schwarze König in der Diagrammstellung nicht auf f7 sondern auf e7, wäre die Stellung remis, da er das Feld c7 schnell genug erreichen kann. Schwarz würde also - wäre er selbst am Zug - mit 1.- Ke7 remis machen.

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Mittwoch, 3. Juni 2009

Tactics (7)

The last moves were 1.Rd3-d7 Kh7-h8?? How did White close the game in Bartel - Malakhatko (Lublin 2009)?



Solution (diff. 2/5): 1.Qd4!! 1-0 (Black was that shocked by this move that he resigned. Obviously 1.- Bxd4 2.Bxd4+ Kg8 3.Rg7+ is dead lost, but Black could have played on with 1.- Qg8, after which the computer gives 2.Rf6; the position is lost anyway, but not that obvious).